Der technologische Vorsprung ihrer Produkte galt für Hersteller von Investitionsgütern lange Zeit als Garant für eine stabile Geschäftsentwicklung und steigende Unternehmensgewinne. Das Marktwachstum beim Verkauf von Neuprodukten ist jedoch begrenzt und wird trotz der aktuell positiven Wirtschaftslage in den kommenden Jahren eher stagnieren oder sogar zurückgehen. Aus diesem Grund setzen viele Industrieunternehmen auf Wachstum im Service. Laut einer aktuellen Marktstudie sehen 85% der Maschinen- und Anlagenbauer Chancen für Wachstum und steigende Renditen vor allem im Servicebereich [1].
Seit den 90er Jahren hat der Service im Investitionsgüterbereich in der Tat an Bedeutung gewonnen und viele Unternehmen planen mittelfristig deutliche Zuwächse im Service. Der Service liefert dabei nicht nur zusätzliche Umsätze, sondern mit einem EBIT von über 15% auch einen erheblichen Beitrag zum unternehmerischen Gewinn. Trotzdem liegt heute der Serviceanteil im Maschinen- und Anlagenbau bei lediglich gut 20% und der überwiegende Anteil davon im Reparatur- und Ersatzteilgeschäft.
Warum gelingt es den Herstellern nicht wirklich die großen Potentiale im Service umfassend und nachhaltig zu heben? Die Gründe liegen häufig schon im grundsätzlichen Verständnis für den Service:
- Verstehen wir die Mechanismen des Servicegeschäftes?
- Sind die Servicepläne realistisch und umsetzbar?
- Kennen wir die installierte Basis?
Das Servicegeschäft ist in vielerlei Hinsicht nicht mit dem Neuverkauf vergleichbar. Im Neugeschäft besteht in der Regel ein konkreter Bedarf über eine Anfrage oder Ausschreibung. Der Kunde benötigt eine neue Anlage oder Maschine und kauft sie dann auch. Im Service dagegen – ausgenommen von Ersatzteilen und Reparaturen, die zwangsweise gekauft bzw. ausgeführt werden müssen - besteht häufig kein unmittelbarer Bedarf. Der Verkauf von Serviceprodukten, insbesondere von Wartungsverträgen, Modernisierungen oder sonstigen zusätzlichen Services, setzt voraus, dass dem Kunden der zusätzliche Nutzen der Dienstleistungen über den Servicevertrieb aktiv vermittelt wird.
Generell ist der Vertrieb von Serviceprodukten häufig kleinteilig und zeitaufwendig. Die Entscheidungszeiträume sind relativ lang und die Trefferquote eher niedrig. Der erfolgreiche Serviceverkäufer unterscheidet sich daher vom Typus her wesentlich von seinen Kollegen im Neuverkauf.
Die Investitionen zum Ausbau des Servicegeschäftes sind i.d.R. hoch und es kann mehrere Jahre dauern bis sich eine positive Geschäftsentwicklung einstellt. Soll beispielsweise das Wartungsgeschäft über den Ausbau des Servicevertriebes gesteigert werden, muss erst einmal geeignetes Personal gesucht und aufgebaut werden. Bis die zusätzlichen Verkäufer aktiv am Markt verkaufen können vergehen schnell sechs bis zwölf Monate. Bis dann die ersten Abschlüsse folgen gehen, je nach bestehender, vertraglicher Bindung mit Restlaufzeiten und Kündigungsfristen, schnell nochmal sechs bis neun Monate ins Land.
Vertragsbeginn und Fakturierung liegen dann häufig nochmals zeitversetzt. D.h. von der Entscheidung bis zur Fakturierung des ersten Vertrages liegen teilweise zwei Jahre und mehr.
Läuft der Vertrag erst einmal stellen sich neben den eigentlichen Umsätzen des Vertrages zusätzliche Erträge aus Ersatzteil-, Reparatur- und schließlich möglichem Modernisierungsgeschäft ein. Die Profitabilität steigt dann erheblich und überproportional an.
Service kann nur an existierenden Maschinen oder Anlagen ausgeführt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die Unternehmen die wichtigsten Daten der eigenen oder auch, je nach Servicestrategie, fremden Anlagen kennen. Hierzu gehören Standort und Betreiber sowie Informationen zur Technik. Häufig kennen Unternehmen noch nicht einmal die Daten ihrer eigenen Anlagen oder Maschinen, die sie selbst einmal hergestellt und geliefert haben.
Die Erfahrung zeigt, dass die Entwicklung des Servicegeschäftes eine sehr anspruchsvolle Aufgabe ist. Auf den ersten Blick scheint es einfach, die quasi auf der Hand liegenden Potentiale zu heben, jedoch bedarf es eines systematischen und durchgängigen Serviceansatzes um das Servicegeschäft nachhaltig zu entwickeln. Die wesentlichen Erfolgsfaktoren sind hierbei die Basis für eine, im gesamten Unternehmen gelebte Servicekultur:
- Klare Servicestrategie
- Starke Serviceorganisation
- Professioneller Servicevertrieb
- Marktorientiertes Produktportfolio
- Effiziente Prozesse
Voraussetzung zur nachhaltigen Entwicklung des Servicegeschäftes ist eine klare auf die Unternehmensziele abgestimmte Servicestrategie. Hierbei gilt es die Wechselwirkungen des komplexen Servicegeschäftes zu verstehen und zu berücksichtigen. Die Servicestrategie in Verbindung mit dem Serviceleitbild bildet die Basis für den erforderlichen kulturellen Wandel hin zum Serviceunternehmen.
In vielen Unternehmen spielt der Service noch eine untergeordnete Rolle. Teilweise sind die Servicebereiche anderen Bereichen angegliedert und die Verantwortlichkeiten sind nicht klar geregelt. Das Ansehen und auch die Karrieremöglichkeiten der Servicekollegen sind häufig schlechter als in den angestammten Bereichen der Neuprodukte. Die Lobby des Service ist auch im Hinblick auf die Einbeziehung in die Produktentwicklung häufig zu schwach ausgeprägt.
Um Marktpotentiale im Service systematisch zu erschließen ist, neben der Kenntnis der installierten Basis, eine kontinuierliche Markt- und Wettbewerbsbeobachtung erforderlich. Die möglichen Verkaufskanäle bis hin zum Servicetechniker sollten systematisch genutzt werden.
Die Produktpalette im Service muss zum einen vollständig sein und zum anderen auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sein. Moderne Ansätze wie Full-Service, Staffel- und Modulverträge sowie kunden- bzw. segmentspezifische Serviceprodukte werden in stark serviceorientierten Branchen seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Hoch serviceorientierte Unternehmen binden zudem ihre Kunden in die Entwicklung ihrer Serviceprodukte ein. Bei der Entwicklung und beim Ausbau des Servicebereichs können innovative Serviceprodukte eine deutliche Differenzierung zum Wettbewerb und damit einen wesentlichen Erfolgsfaktor darstellen.
Am Ende hängt die Ergebnisqualität im Service auch von einer effizienten Fulfillmentorganisation ab. Klare und optimierte Serviceprozesse sowie eine wirksame Steuerung sind neben der hohen fachlichen Qualifikation der Servicetechniker Voraussetzung für hohe Serviceerträge.
Unternehmen auf dem Weg zum Ausbau Ihrer Serviceaktivitäten zu unterstützen, stellt einen wesentlichen Beratungsschwerpunkt der ghcon management dar. Das ghcon Servicemanagement-Modell beruht auf langjähriger Praxiserfahrung des Autors in hoch serviceorientierten Unternehmen.